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An der Grenze zu Belarus, etwa 32 km östlich der Hauptstadt Vilnius, kann man eine Kleinstadt besuchen, deren Zentrum ein originales Architekturensemble im Stil des Spätbarocks schmückt. Auf einem Hügel, umringt von Grünflächen, erheben sich die Gebäude der Kirche des Heiligen Erzengels Michael und des Dominikanerklosters von Šumskas. Den Kirchhof kann man über ein Tor unterhalb des Glockenturms betreten. An diesem friedlichen Ort, der sorgsam gepflegt wird, kann man sich mit der interessanten Geschichte dieser Anlage vertraut machen und die hier befindlichen Gebetsäulen, Kunstwerke u.a. besichtigen.
Die Kirche des Hl. Erzengels Michael aus hellem Mauerwerk bezaubert mit Zügen des Spätbarock und der frühen Klassik. Es ist eine massive, symmetrische, turmlose Kirche mit original erhaltenem Fassadendekor und Bogenfenstern in tiefen Nischen. Der Kirchhof ist von einer Steinmauer umgeben, in welche sich der Glockenturm und das Tor harmonisch einfügen.
Beim Interieur verspürt man die für die Traditionen der Dominikaner typischen Züge, beispielsweise Skulpturen des Gekreuzigten in den Altären der Kirche – denn für die Mönche dieses Ordens ist das Nachdenken über die Qualen Christi besonders wichtig. Die Wände der Kirche sind intensiv mit Fresken versehen; die Illusionsmalerei ist hier vorherrschend. Es ist der Ausdruck des grandiosen Raumgefühls der Barockmalerei, wenn durch das Hinzuziehen spezieller theatralischer Effekte die Illusion geschaffen wird, dass es sich nicht um gemalte, sondern um lebendige Abbilder handelt. Auf diese Weise wurden die in den drei Kapellen der Kirche befindlichen Altäre sowie die Gemälde an den Seitenwänden gemalt.
Den Hauptaltar der Kirche von Šumskas ziert das ausdrucksstarke, im 18. Jahrhundert gemalte Staffeleigebilde „Der Hl. Erzengel Michael“, das sich durch barocke Dynamik auszeichnet und das Ende des siegreichen Kampfes des Erzengels mit dem Teufel abbildet.
Heute sind die Kirche des Hl. Erzengels Michael und das Dominikanerkloster renoviert. Sie gehören zum Dekanat Naujoji Vilnia. Die Heilige Messe wird hier nur auf Polnisch abgehalten.
Die Geschichte besagt
Ende des 17. Jahrhundert begannen die Gutsbesitzer Michał und Halina Szumski mit dem Bau einer Holzkirche und förderten diesen umfassend. Interessanterweise hieß die Ortschaft früher Laukininkai, doch die Familie beschloss, diesen Namen zu ändern und dem Ort ihren Nachnamen zu geben.
Nach Beginn des Kirchenbaus brachten die Szumskis auch die Entstehung des Klosters auf den Weg. Nach dem Willen der Adeligen ließen sich hier Mönche des Dominikanerordens nieder. Historischen Quellen zufolge überließen die Szumskis dem Kloster nach einigen Jahren die gesamte Kleinstadt!
Mit dem Bau der gegenwärtigen Steinkirche des Hl. Erzengels Michael wurde fast ein Jahrhundert später, im 18. Jahrhundert, begonnen. Während des ca. 20 Jahre andauernden Bauvorhabens wurde das zweistöckige Holzhaus des Klosters mit quadratischem Grundriss mit der Kirche verbunden.Im Namen des Hl. Erzengels Michael wurde die Kirche 1789 geweiht.Die Dominikanerbrüder unterhielten an der Kirche eine Gemeindeschule und ein Spital – eine Einrichtung zur Unterbringung und Pflege der Armen.
Die Geschichte von Kirche und Kloster ist vom Unheil geprägt. Zu Beginn des 19. Jahrhundert verwüstete die französische Armee die Gebäude dieses Ensembles und fügte der Klosterbibliothek unermesslichen Schaden zu. Etwas später beschloss die Regierung des russischen Zaren, die Aggression gegen die katholische Kirche betrieb, das Kloster, wandelte die Kirche in eine orthodoxe Kirche um und zwang die Gläubigen, sich als Orthodoxe zu registrieren. In diesem Zeitraum wurde der Architektur und der Innengestaltung der Kirche besonders großer Schaden zugefügt. Die an der Hauptfassade der Kirche befindlichen barocken Voluten (dekorative Bauelemente) wurden abgeschlagen.
Zu einem Rätsel wurde das Schicksal des in einen Silberrahmen eingefassten Gemäldes der Hl. Jungfrau Maria, das damals für Wunder bekannt war...
Die Kirche des Hl. Erzengels Michael und das Dominikanerkloster wurden der katholischen Gemeinde erst im Ersten Weltkrieg zurückgegeben. Leider gehörte das Gebäudeensemble später, bis zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit, der sowjetischen Wirtschaft von Šumskas. In diesem Zeitraum wurden alle Kachelöfen abgerissen, die Holztreppe entfernt – sie wurde herausgeschlagen und sogar mitsamt den Rahmen herausgerissen.
Der Glockenturm und die kleine Kapelle
Jesu in te confido– diese Worte, die „Jesus, ich glaube an dich“ bedeuten, sind am Glockenturm verewigt. Diese Inschrift empfängt die Besucher und lädt jeden, der die Kirche des Hl. Erzengels Michael betritt, zum Nachdenken ein. Der Glockenturm mit dem Tor ist in die Steinmauer um den Kirchhof herum eingebaut. Er steht genau vor dem Haupteingang der Kirche.
Im Kirchenensemble von Šumskas erwartet die Besucher eine im Kirchhof stehende Gebetsäule aus dem 19. Jahrhundert mit Gedenktafeln für die Familie Kamienskiai und für Felicija Sventickienė. Beim Spaziergang durch den sorgsam gepflegten Klostergarten kann man auch die kleine Kapelle besuchen, deren Wände mit Majoliken (eine von der Insel Mallorca stammende recht komplizierte Art zur Dekoration von Keramik) gestaltet sind, welche die Hl. Fatima und den Hl. Antonius darstellen.
Der Dominikanerorden
Dominikanerorden werden auch Predigerorden genannt. Dieser wurde zu Beginn des 13. Jahrhundert von dem aus Spanien stammenden, heiligen Domingo de Guzmán gegründet. Dominicanisheißt aus dem Lateinischen übersetzt „Hunde des Herrn“. Eines der Hauptsymbole dieses Mönchsordens ist also ein weißer Hund mit schwarzen Flecken, der eine brennende Fackel im Maul hält – ein Symbol der Erlangung und der Weitergabe von Wissen.
Die Dominikaner, die eine kontemplative Lebensweise pflegen, befassen sich seit alten Zeiten mit der Gründung von Schulen und Universitäten und lehren an ihnen. Das Hauptziel der Mönche ist das Studieren, Apostolieren und Verkünden von Gottes Wort. Weitere oft verwendete Symbole der Dominikaner sind das Buch, das Brot, der Stern und die Lilie. Die Lilie wird nach der christlichen Konzeption mit Reinheit, Schönheit, Wiederauferstehung von den Toten sowie mit der Jungfrau Maria in Verbindung gebracht.