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Eine der größten und ältesten Handels- und Wanderstraßen (die heutige Schnellstraße Vilnius–Minsk), die bereits seit dem 1. Jahrtausend n. Chr. genutzt wurde, führt in Richtung Osten zum Grenzposten von Medininkai.
Die staatliche Grenzkontrolle ist einer der wichtigsten Strukturen eines unabhängigen Staates. Nachdem Litauen am 11. März 1990 seine Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, wurde mit der Einrichtung von Grenzkontrollposten begonnen. In dieser Zeit war die Situation besonders angespannt. Die Sowjetunion hat die Unabhängigkeit des litauischen Staates nicht anerkannt, beabsichtigte das Land zu spalten und zu destabilisieren. Sowjetische Soldaten und Spezialeinheiten der Miliz (OMON) griffen die Grenzkontrollpunkte an und verwüsteten die dort bestehenden Zollposten. Gebäude und Dokumente wurden verbrannt, die litauische Flagge wurde zerrissen, mitunter wurden unbewaffnete Beamte verletzt, usw. Es gab insgesamt 18 Angriffe, in denen 35 Mitarbeiter des Verteidigungsdepartements und 27 Zollbeamten zu Schaden kamen.
Medininkai blieb von der Tragödie nicht verschont. Kurz nach Wiederherstellung der Unabhängigkeit kam im Sommer 1991 von hier eine grauenvolle Nachricht. Am 31. Juli wurde vor Sonnenaufgang am Grenzposten von Medininkai ein blutiges Massaker verübt. Ein Sondereinsatzkommando der sowjetischen Miliz (OMON) griff die Grenzbeamten auf Wache an. Sieben Zollinspektoren aus Vilnius, sowie Beamte der Straßenpolizei und der Einheit „Aras“ verloren bei einer kaltblütigen Hinrichtung ihr Leben; einer von ihnen überlebte schwer verletzt.
Zum Gedenken an dieses tragische Ereignis wurde neben dem Zollwaggon in Medininkai 1993 ein Denkmal aus schwarzem Granit mit sieben weißen Marmorkreuzen aufgestellt. Sie symbolisieren die litauischen Grenzbeamten, die hier ihr Leben ließen. Die Autoren des Entwurfs für das Denkmal sind die Architekten Algimantas Šarauskas und Rimantas Buivydas.
Beamten des Grenzpostens in Medininkai:
Tomas Šernas, der bei dem Angriff ebenfalls auf dem Posten arbeitete, wurde schwer verletzt. Er überlebte, ist jedoch nicht mehr in der Lage zu laufen. Per Dekret des Präsidenten der Republik Litauen erhielten alle Geschädigten den Verdienstorden „Vytis-Kreuz 1. Grades“ (heute „Orden des Vytis-Kreuzes“). Die Verstorbenen wurden auf dem Antakalnis-Friedhof von Vilnius neben den Opfern des 13. Januar beigesetzt. Das Andenken an die Beamten wird jedes Jahr mit dem traditionellen Staffellauf „Medininkai–Vilnius“ geehrt.
Um die Tragödie von Medininkai zu verewigen, wurde hier 2001 ein Gedenkmuseum (eine Abteilung des Zollmuseums der Republik Litauen) eingerichtet. Am heutigen Grenzposten wird der Originalwaggon, in dem die blutige Tragödie stattfand, unter einer Glashaube bewahrt. Darin sind die von den Verstorbenen im Dienst benutzten Gegenstände erhalten. Auf dem Tisch liegt immer noch das Registerbuch der passierenden Fahrzeuge (ein Beweis für die Formalität der neuen Grenze). Obwohl der Waggon restauriert ist, wurde eine von Blut gekennzeichnete Stelle des Bodens offengelassen... Die Aufseherin der Gedenkstätte von Medininkai sagt, dass die Zoll- und Grenzbeamten ohne Telefon, Strom oder Warmwasser gearbeitet haben. Die Beamten baten die Ortsbewohner darum, sich Wasser für Tee oder Kaffee kochen zu dürfen.
Heute wird der 31. Juli als Tag der Aufopferung für die Freiheit der Menschen Litauens gedacht. Der alte Waggon des Grenzpostens Medininkai und das Denkmal mit den sieben Kreuzen sind ein Symbol für die Kämpfe um die Unabhängigkeit. Diesen Ort kann man nur nach vorheriger Absprache mit dem Zollmuseum oder der Leitung des Grenzpostens besichtigen.
31. Juli 1991, 4 Uhr morgens
Ein früher Morgen im Juli. Der Grenzposten von Medininkai ist mit acht Männern besetzt: vier im Waggon, zwei gleich daneben und zwei weitere in etwa 50 Metern Entfernung. Plötzlich tauchen mehrere bewaffnete Männer der Spezialeinheit „Mobile Einheit besonderer Bestimmung“ der Sowjetunion (OMON) auf. Die Russisch sprechenden Angreifer treiben alle Beamten in den Waggon. Es ertönt die Anweisung, sich auf den Boden zu legen, und plötzlich fallen mindestens 13 Schüsse. Den litauischen Staatsbeamten wurde in den Kopf geschossen... Sechs von ihnen verstarben vor Ort, die anderen zwei wurden sehr schwer verletzt und nach zwei Stunden ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte konnten nur das Leben von T. Šernas retten.
Der einzige überlebende Zeuge des Massakers erinnert sich, dass er bei dem Angriff keine große Angst hatte, denn bei früheren ähnlichen Zwischenfällen hatte es keine Opfer gegeben. Tatsächlich wurde der Grenz- und Zollkontrollposten von Medininkai im Jahr 1991 vor dem blutigen Ereignis des 31. Juli mindestens vier Mal angegriffen. Aus diesem Grund wurden Polizisten des Sondereinsatzkommandos „Aras“ dorthin verlegt.
Kurz zuvor, am 29. Juli, hatten der Präsident des Restituierenden Seimas, Vytautas Landsbergis, und der Präsident der Russischen Föderation, Boris Jelzin, in Moskau offiziell Vereinbarungen zur Grundlage der zwischenstaatlichen Beziehungen, zur Zusammenarbeit im Kaliningrader Gebiet und zur Eröffnung von Vertretungen unterzeichnet. Die Russische Föderation hatte die Unabhängigkeit Litauens endlich anerkannt! Leider haben offizielle Dokumente die Aggression nicht aufgehalten...
Die Schuldigen des in Medininkai verübten blutigen Verbrechens waren Kräfte der Spezialeinheit der Miliz der Sowjetunion (OMON) aus den Truppen von Riga und Vilnius. Im Frühjahr 2011 kam der lettische Staatsbürger Konstantin Michailov, ein ehemaliger Milizsoldat der OMON, für Verbrechen gegen die Menschlichkeit lebenslänglich in Haft. Die Strafurteile gegen Andrej Laktionov, Česlav Mlinyk und Aleksandr Ryžov wurden in deren Abwesenheit gefällt. Diese ehemaligen Soldaten der Spezialeinheit OMON befinden sich nicht in Haft, da laut der Verfassung und des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation russische Bürger, die ein Verbrechen in einem anderen Land verübt haben, den Staat verteidigt und nicht an andere Staaten ausgeliefert werden.