Auf dem Gebiet des Regionalparks Aukštadvaris, am Ufer des Sees kann man einen Stein besichtigen, der scheint, in den Erdboden eingedrückt zu sein – den Stein von Nikronys, der auch „der Große“ genannt wird. Der im Wald von Babrauninkai, zwischen den Seen Sienis und Verniejus versteckte Stein ist ein geologisches Naturdenkmal. Dieses Objekt und seine Umgebung werden kontinuierlich vom Forstamt Trakai gepflegt und sind für Besucher erschlossen.
Der Stein von Nikronys ist ein massiver Findling – ein Überbleibsel der Eiszeit. Auf ihm könnten mehrere Dutzend Menschen Platz finden! Die Maße des Steins sind tatsächlich beeindruckend: Seine Länge beträgt 6,3 m, seine Breite 3 m, und seine Höhe 2,2 m. Es ist ein grauer granitfarbener Stein von unregelmäßiger Form, von dem ein Teil im Erdboden steckt, und er könnte etwa 14000–16000 Jahre alt sein. Geologische Untersuchungen zeigen, dass die sogenannten skandinavischen Steine eine Besonderheit des Regionalparks Aukštadvaris sind. Es wird angenommen, dass sich der Stein von Nikronys, wie die meisten Steine der in Litauen befindlichen Massive, vor Jahrmillionen auf dem Gebiet Skandinaviens bildete. Während der letzten globalen Eiszeit gelangten diese Steine nach Litauen.
Interessanterweise lassen sich auf dem Stein von Nikronys ganz deutlich verschiedene Zeichen, Buchstaben und Symbole erkennen. An einer Seite, in einem fast 2 Meter langen Horizontalabschnitt sind die ziemlich großen (ca. 35 cm) Buchstaben MOPT eingetragen. Über dem Eintrag befindet sich ein Pfeil. Auf der anderen Seite des Steins ist ein gleichseitiges Kreuz mit einem Durchmesser von ca. 30 cm erkennbar. Schriftliche Quellen zeugen davon, dass es früher zwei solcher Kreuze gegeben hat. Auf dem Stein befindet sich auch eine Zeichnung, die an ein Wappen erinnert...
Bezüglich der rätselhaften Zeichen hüllt sich der Stein von Nikronys in Geheimnisse und wird mit der Geschichte Litauens sowie der Mythologie der alten Balten in Verbindung gebracht. Der geheimnisvolle Stein interessiert und fasziniert berühmte Archäologen, Historiker und Experten anderer Bereiche der Wissenschaft. Es ist ganz und gar nicht erstaunlich, dass zu diesem Objekt des Naturerbes viele Erzählungen existieren.
Geheimnisvolle Zeichen
Die erste schriftliche Quelle, in der der Stein von Nikronys erwähnt wird, ist das von Petras Tarasenka 1958 verfasste Buch „Spuren im Stein“ (lit. „Pėdos akmenyje“). Der Autor beschreibt akribisch das Äußere des Steins und die auf ihm befindlichen Zeichen. Die Buchstaben MOPT, der Pfeil, das Kreuz, das Wappen – all dies bietet Inspiration für verschiedene Erzählungen, Vermutungen und Diskussionen.
Die Menschen erzählen, dass der Stein von Nikronys etwa 1904–1905 ein Grenzsymbol war, welches den staatlichen Wald vom Grund und Boden eines Herren trennte. Der Herr prägte auf seiner Seite die Buchstaben MOPT und eine Pfeil, der in Richtung seines Landes zeigte, ein. Die Ortsbewohner bezeugen, dass diese geheimnisvollen Buchstaben die Abkürzung für den polnischen Satz „Moje pieniądze tutoj“ sind, was auf Deutsch bedeutet „Mein Geld liegt hier“. Tatsächlich glauben die Menschen, dass sich unter dem Stein ein verfluchter Schatz befindet. Davon zeugen offensichtlich die am Stein erkennbaren Überreste von Schatzsucher, die ihr Glück versuchten.
Andererseits wird behauptet, dass der Stein von Nikronys kein Grenzsymbol für ein Grundstück gewesen sein kann, weil er genau in der Mitte auf dem Grundstück der Familie Odyniec liegt. Es ist bekannt, dass Adelsfamilien früher ihre Initialen und ihr Familienwappen in Stein meißeln ließen, wodurch sie ihr Eigentum markierten oder einen Verstorbenen gedachten. Die Tochter Helena des letzten Eigentümers des Landgutes Władysław Odyniec hat angegeben, dass die Buchstaben MO für Michał Odyniec stehen. Die Aufzeichnungen der Kirchen von Aukštadvaris und Onuškis bezeugen, dass er Kämmerer von Trakai war, d. h. ein Gerichtsbeamter und Richter, der in Fällen zu Landgrenzen urteilte. Es kann also sein, dass MOPT „Michał Odyniec Podkomorzy Trocki“ (Michał Odyniec, Kämmerer von Trakai) bedeutet. Des weiteren bestätigte die Tochter von Władysław Odyniec auch, dass der Familie Odyniec das auf dem Stein eingemeißelte Wappen des Wildschweins oder des Einsiedlers gehört.
Die Bewohner von Aukštadvaris und der Umgebung von Trakai haben das Andenken an die Adelsfamilie Odyniec bis heute bewahrt. Die Ortsansässigen betrachteten die Familie als Fürsten, obwohl die Odyniec diesen Titel schon seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr benutzten. Der Verwalter der Mühle von Nikronys, Władysław Odyniec, war einer der Gründer der Gemeinde Aukštadvaris und Auftraggeber des Kirchenbaus.
Mit Schätzen erkauft man sich zwar nicht den Himmel...
Viele Legenden verbinden den Stein von Nikronys mit einem hier versteckten Schatz. Es gibt Menschen, die denken, dass der in den Stein eingemeißelte Pfeil auf den versteckten Schatz weist, und die unter dem Pfeil angegebenen Buchstaben MOPT verraten die Entfernung. Um den Stein herum zeigt sich, dass hier mehrfach nach einem Schatz gesucht wurde...
Recht weit verbreitet ist die Geschichte, wie Władysław Odyniec sein Geld vergrub und... den Ort vergaß! Man erzählt sich, er habe sein verstecktes Vermögen lange gesucht, es aber nie gefunden. Aus Verzweiflung, oder vielleicht unter dem Einfluss von Alkohol, warf er sich vor einen Zug.
Manche Legenden bringen den Schatz sogar mit Napoleon in Verbindung. 1812 machte Napoleon im Wäldchen von Babrauninkai Rast und kam auf die Idee, sein Goldgeschirr und seine Münzen zu verstecken. Er befahl den Soldaten, sein teures Eigentum zu vergraben und einen massiven Stein auf die Stelle zu rollen! Laut einer anderen Erzählung erreichte die Nachricht vom hier versteckten Schatz die Soldaten Napoleons. Sie begannen zu graben und... fanden den Schatz! Jedoch kein Geld, sondern Bücher.
Was auch immer die Legenden berichten, wir kennen heute eine Tatsache: Vor nicht allzu langer Zeit hat ein Traktorfahrer, der an der nahegelegenen alten Grabstätte arbeitete, einen Topf mit Geld aus dem Boden geholt. Diesen Schatz kann man heute im Museum der Burg Trakai besichtigen.
Alka – der heilige Ort der Balten
Im Altertum wurde der Stein von Nikronys verehrt und als heilig angesehen. Vielleicht war er der Opferstein einer vorchristlichen Religion? Vielleicht haben hier einst die Weisen das heilige Feuer entfacht? Die im Stein eingeprägten Kreuze werden oft für Sonnensymbole gehalten.
Auch interessant ist, dass die Oberfläche des Steins eine von Menschenhand angefertigte 26 cm tiefe Vertiefung aufweist, in der sich stets etwas Wasser befindet. Man glaubt, dass dieses Wasser heilig ist und heilende Kräfte besitzt. In alten Zeiten besuchten Menschen sogar von weit her diesen Ort, um ihre Augen mit diesem Wasser zu benetzen. Und wenn Schnee gefallen war, tranken sie das Wasser oder nahmen es mit sich. Gläubige Menschen wuschen hier nicht nur ihre Augen, sondern ließen auch Geld zurück, für welches der Priester die Messe ausrichtete.
Die Alten erzählen, dass hier nachts manchmal kleine Feuer umher irren, aber nur sehr gute Menschen können sie sehen. Außerdem behaupten manche, dass es an diesem Stein spukt...